Gedanke trifft bald Papier…

IMG_0043Im Herbst dieses Jahres schon wird es soweit sein –
Hundert Gedichte werden den Weg auf Papier gefunden haben.
Zwanzig davon, darf ich aus meinem Fundus beisteuern.
Auf diesen aufgeräumten, bis dahin gut durchsortierten Haufen Papier, zwischen wunderschönen Halbleinen-Buchdeckeln, mit unzähligen, feinsäuberlich ausgewählten, sinnbehafteten schwarzen Buchstaben darin, freue ich mich…
Und kann gar nicht sagen, wie sehr!!!
Wer das „neue-Lyrik-Entdecken“ genauso liebt wie ich, dem kann ich nur empfehlen, die Blogs aller anderen an diesem Buch beteiligten Anthologie-Autoren zu besuchen…
Lest selbst, es lohnt sich.

Druckergeschwärzte Papiergrüße,

Eure Simone Lucia

Träume im Tee

Wie uns das Herz
nach Träumen dürstete, früher

So tranken wir
duftverströmende Träume
aus altmodischen Teetassen

Vielsagende Zeilen, die aufstiegen,
Schlürften wir gleich oben ab

Wissend traf sich unser Blick
über dem Teedampf –
Seine Wärme gebar uns
flüssige Sätze des Lebens

Wir fesselten sie ans Papier,
Die Sätze vom Boden der Tasse

Drängen sie sich noch
durch deine Gedanken?

Entfesselst du unsere Papierträume
mit Händen –

Oder ertränkst du sie heute
im Nichts?

Ertrinkender Träume
Schreie
In den teilnahmslosen Fluten
des Nichts

erträgt man heute sorglos

                                                                           

Sommer II (2016)

sieh, Sommer
jetzt atmest du aus

durchbrach noch eben
deinen Himmel der Mohn,
die Kornblumen

umwuchs deines Zenites Herzschlag
ihr Rot,
ihr Blau

durchkämmte nicht
der aufkommende Südwind noch
das Weizengrün seidener Felder

dem kurzatmigen Grün des Weizen
nahm deine Sonne den Atem
ganz

Sag mir, Südwind, wohin?

wohin entschläft dir das Rot des Mohns

In deiner Stille weht der Tod
auch das Blau aus und
frisst sich satt am Grün

lau ist dein Trost und trocken
und leis,
Südwind
im Knistern sterbender Halme

das Reifen
kommt nicht aus
ohne des Wachstums Tod

Auf hoher See

Wie mächtig
ist deiner Seele Brandung

kopflos stürze ich
in die erstbeste Welle deiner Sprache

durchtauche sie,
deiner Sprache Schönheit
entlang zweier Herzschläge
und dem Seetang deiner Silben
tauche ich ihrer Tiefe
auf den Grund

deiner kräuselnden Worte Sog
erfasst mich mit Haut und Haar

als der Mond in die Fluten fällt
tragen sie ihn auf Schwimmhäuten an Land,
deine Worte
ihn und das Silber

ich weiß nicht mehr – ist es noch
mein Herzschlag oder
deine Brandung gegen mein Herz

ja, brande nur fort

dein hoher Seegang
macht mir keine Angst

Cerny Dul /Ode an eine Freundschaft (Für Deniz)

Durch den Gedankentrichter gespült
strandeten wir
am Ufer der Nacht
die zu kurz für uns war
(schon damals)

Die Nacht rauschte mit ihren Sternen durch die Pappeln
dicht heran
an das Ohr der Zukunft

Wir bissen in die Schaumkronen
versunkener Dichter und Philosophen
glühend waren unsere Gedanken,
sie brannten sich Löcher in unsere Worte

die Schallmauer durchbrachen sie längst
als die Nacht endlich
über die Ufer trat,
ausuferte
in die Dämmerung

In der wir Freundschaft buchstabierten
auf platonisch
als sei das
eine neue Sprache

Sommer (2016)

Barfuß
durchschreitest du mein Herz
mit dem Wind im Rücken und
der Sonne unterm Arm

meiner Seele Tiefen und Untiefen
küsstest du die sandigen Worte von der Stirn

Auch Pfützen haben das Vermächtnis
die Sonne zu spiegeln, sagst du, Sommer

sagst es in das trübe Blau
einer meiner spiegellosen Stunden hinein

mein Herz, es wuchs über das Moos
wuchs über das Moos des Waldes hinaus
wuchs dir entgegen

entwuchs mir aus dem Mund
und dem Gestrüpp der Stille

die jetzt auch barfuß geht

See im November

Nicht aufzufüllen,
die Täler des Tages
mit deiner tropfenden rauchigen Stille,
Herbst

Nicht mit euch Wolken,
ihr träumenden Katzen –
tief in die Täler gekuschelt

Nicht durch deinen quecksilbernen Glanz, See,
in den mir das Herz aus den Händen entgleitet
bis auf deinen Grund

meine Seele – ein Windhauch nur, im Schilf –
lege ich dir zu Füßen, See
heute mit deinem Glanz

Morgen schon, Herbst,
hängst du die letzten gelben Blätter ab
und die Tage wie Wäsche zusammen,
glattgestrichene Tagesstapel

die Stille wird auf sie regnen und die Blätter
mit ihrem letzten Gelb

herausziehen werde ich sie einzeln und
durcheinandererinnern

Still liegt der See im November
still auf dem Grund
der Erinnerung

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[Es ist Sommer, ich weiß. Das zugrundeliegende Fragment von 2008 schrie allerdings nach Bearbeitung..]