Melancholie

Niemals gieße ich dich.

Nicht mit Worten,
nicht mit Aufmerksamkeit.

Und doch
erblühst du mir
vielblättrig

unter den Schattenranken der Nacht.

Du, Melancholie,

bist wohl das einzige

Nachtschattengewächs

das heimlich
mein Gießverhalten überlebt

See im November

Nicht aufzufüllen,
die Täler des Tages
mit deiner tropfenden rauchigen Stille,
Herbst

Nicht mit euch Wolken,
ihr träumenden Katzen –
tief in die Täler gekuschelt

Nicht durch deinen quecksilbernen Glanz, See,
in den mir das Herz aus den Händen entgleitet
bis auf deinen Grund

meine Seele – ein Windhauch nur, im Schilf –
lege ich dir zu Füßen, See
heute mit deinem Glanz

Morgen schon, Herbst,
hängst du die letzten gelben Blätter ab
und die Tage wie Wäsche zusammen,
glattgestrichene Tagesstapel

die Stille wird auf sie regnen und die Blätter
mit ihrem letzten Gelb

herausziehen werde ich sie einzeln und
durcheinandererinnern

Still liegt der See im November
still auf dem Grund
der Erinnerung

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[Es ist Sommer, ich weiß. Das zugrundeliegende Fragment von 2008 schrie allerdings nach Bearbeitung..]