See im November

Nicht aufzufüllen,
die Täler des Tages
mit deiner tropfenden rauchigen Stille,
Herbst

Nicht mit euch Wolken,
ihr träumenden Katzen –
tief in die Täler gekuschelt

Nicht durch deinen quecksilbernen Glanz, See,
in den mir das Herz aus den Händen entgleitet
bis auf deinen Grund

meine Seele – ein Windhauch nur, im Schilf –
lege ich dir zu Füßen, See
heute mit deinem Glanz

Morgen schon, Herbst,
hängst du die letzten gelben Blätter ab
und die Tage wie Wäsche zusammen,
glattgestrichene Tagesstapel

die Stille wird auf sie regnen und die Blätter
mit ihrem letzten Gelb

herausziehen werde ich sie einzeln und
durcheinandererinnern

Still liegt der See im November
still auf dem Grund
der Erinnerung

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[Es ist Sommer, ich weiß. Das zugrundeliegende Fragment von 2008 schrie allerdings nach Bearbeitung..]

Versuch über die Waschmaschine (2005)

Durch die Wand das Geräusch der Waschmaschine
Sie dreht sich weiter,
immer weiter
So vertraut das Geräusch

Bestimmt wirft sie gerade Blau und Grün durcheinander
Und ein Jackenknopf klitscht gegen die Scheibe,
vielleicht ist es der bronzene mit der feinen Prägung
Ich sitze hier, die Ellenbogen auf die Knie gestützt
Und warte
Warte dass irgendein Wunder geschieht

Und durch die Wand das Geräusch der Waschmaschine
sie dreht sich weiter, immer weiter

Bestimmt wirft sie gerade die Ellenbogen durch die Prägung
Und ein Jackenknopf sitzt hier und wartet
Weiter, immer weiter
Blau und Grün das Geräusch auf die Knie gestützt
Die bronzene Scheibe klitscht gegen ein Wunder
So vertraut das Geräusch
Das Geräusch wirft die Wand durch die Waschmaschine
Bestimmt dreht ein Wunder sich weiter vielleicht
Ein Jackenknopf auf die Knie gestützt
Die Prägung sitzt fein durcheinander
Irgendein Ellenbogen dreht sich die Knie
Ein Wunder geschieht
Blau und Grün klitscht durch die Wand und wartet
Die Scheibe gestützt durch ein Wunder
Das Geräusch geschieht vielleicht auf der Prägung
Ein Jackenknopf wirft vertraut das weiter der Waschmaschine
Gestützt auf die Wand
Und warte gerade sitzt der bronzene Blau und Grün geschieht
Irgendein Ellenbogen die Scheibe sitzt durch
Das Geräusch dreht auf die Knie
Dass ein Wunder geschieht, dreht sich weiter
Immer weiter, durch die Wand das Geräusch so vertraut
durcheinander

Menschenwürde (2013)

Mensch
was tust du!

deinem Geist hast du
Ausgang gewährt

deine Seele hat er abgestreift

wie ein schmutziges Kleidungsstück
im vorbeigehen
über die Sofalehne geworfen

dort vertrocknet sie im Regen
flimmernder Bilder und
nichtssagender Worte

ihre Sehnsucht ein stiller Durst
den dein Geist nicht hört

er feiert längst ein rauschendes Fest,

Einzugsparty mit dem Sachverstand

drüben im Goldfischglas

da schwimmt er so herum, dein Geist

Ja.

Das Denken ist mühsam im abgestandenen Wasser

Ahornbäume gegenüber II (2014)

Euer Grün!
in Frohsinn getaucht,
perlt gegen mein Herz

euer Schönstes
haltet ihr dem Himmel entgegen

so vertrauensvoll
wie der Augenaufschlag kleiner Kinder
am Morgen

frohsinngetränktes Grün
millimetergenau verwurzelt
zwischen Ecken und Kanten im
engen häßlichen Häuserwald
zufrieden dort

mein Herzschlag geht jetzt
im Takt eures Frohsinns
er kippt in meinen Atem hinein
so erstaunt mich das

Stecke den Anblick schnell in die Hosentasche
verstehe plötzlich

wo du gerade bist
schlage deine Wurzeln
in das Jetzt mein Herz
möge dein Schönstes dem Himmel gelten

Winzige Begegnung (2014)

Ein Käfer landet in meinem Notizbuch
von den Worten weiß er nichts
mit seinen flinken Beinchen krabbelt er rasch über den Himmel
weiter über das Grün
über Ecken und Kanten biegt schräg ab auf den
Augenaufschlag kleiner Kinder macht einen Umweg durch
den engen Häuserwald
auf meinem Herzschlag hebt er ab
durchfliegt meinen Atem mit seiner
tausendfach schnelleren Tracheenatmung und
landet auf der leeren Seite nebenan
dass darauf unsere Begegnung einmal geschrieben stehen wird
ahnt er nicht als er zurück in sein Käferleben fliegt um
wenig später aus meinem Wasserglas gerettet zu werden
winziges leben
wie schnell wohl sein Herzschlag ging

Für M., der vor kurzem ging (version 11, 2016)

Während der Frühling
mit erröteten Wangen an die Bäume herantrat
und in die Hände spuckte

da waren es deine Augenlider
die der Herbst deines Blickes wurden,
sie wischten über ihn hinweg

nie verschüttetest du deinen Humor, du
hieltest ihn hoch bis

nur dein Lebendiges scheute plötzlich
vor dir zurück

Du aber lachtest, als deine Beine
keine Treppen mehr steigen konnten
das fandst du ungeheuer komisch

Als die Sonne
unter deinen Wimpern erlosch
stieg sie weit hinauf ins schmerzlose Blau
der Osternacht,
entzündete die honigfarbene Dämmerung
über den Dächern der Stadt,
neigte sie ihre Güte herab und striff
über deiner Kinder Blondschöpfe hinweg

sie winkten dir nachhaus